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Mein Kind ist introvertiert – warum du dir keine Sorgen zu machen brauchst

Mein Kind ist introvertiert – warum du dir  keine Sorgen zu machen brauchst

Das kleine Mädchen ist zehn Jahre alt. Von ihrer Klassenlehrerin wird sie im Elterngespräch als freundlich, ausgeglichen und ruhig beschrieben. Sie lerne gerne und bearbeite ihre Schulaufgaben sorgfältig und zuverlässig. Im Klassengespräch sei sie sehr zurückhaltend. Sie solle sich häufiger melden. Das kleine Mädchen hat zwei sehr enge Freundinnen, die sie regelmäßig trifft. Manchmal spielt sie auch gerne alleine in ihrem Zimmer. Sie malt, bastelt und lauscht dabei den Geschichten aus ihrem Kassettenrekorder. Das macht das kleine Mädchen gerne. Dann ist sie so in sich vertieft, das sie nicht ihre Eltern hört, die nach ihr rufen.

Sicherlich hast du es dir schon gedacht: Das kleine Mädchen ist introvertiert.

Bist du Mama oder Papa eines introvertierten Kindes? Oder zählst du dich selbst zu den introvertierten Menschen? Was genau bedeutet eigentlich Introversion und wie kannst du dein introvertiertes Kind unterstützen? In diesem Blogbeitrag zeige ich dir Unterstützungsmöglichkeiten und warum es eine Stärke ist, introvertiert zu sein.

Was ist Introversion?

„Auf das eigene Seelenleben gerichtet, nach innen gekehrt; verschlossen“ beschreibt der Duden den Begriff „introvertiert“.

Ursprünglich stammt er von dem Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung. In seiner Theorie der Persönlichkeitstypen kann die psychische Energie entweder a) nach außen (extravertiert) oder b) nach innen (introvertiert) gerichtet sein.

Introversion ist eine genetische Veranlagung, mit der wir auf die Welt kommen. Sie ist angeboren und vererbt. Im Gegensatz zu extrovertierten Menschen fokussiert sich introvertierte Menschen mehr auf ihre Gedankenwelt als auf die Außenwelt. Eintreffende Reize verarbeitet ihr Gehirn gründlicher und ist dadurch bereits im Ruhezustand sehr aktiv. Introvertierte haben eine Vorliebe für ruhigere Tätigkeiten und schöpfen ihre Kraft aus dem Rückzug. Wenn sie zu lange mit anderen Menschen zusammen sind, verlieren sie Energie und brauchen dann Ruhe und Zeit für sich alleine, um wieder aufzutanken. Für andere wirken sie daher oft in sich gekehrt, still oder nachdenklich.  

Manchmal wird Introversion mit einer Sozialphobie – der Angst vor sozialen Kontakten – in Verbindung gebracht, was jedoch nicht immer der Fall sein muss.  

Mein Kind ist introvertiert.

Während andere Kinder gemeinsam rennen, klettern, sich lauthals mitteilen, bleiben introvertierte Kinder gerne für sich. Sie lesen ein Buch, basteln, puzzeln, malen und sind dabei völlig zufrieden in sich versunken.

In Schule und Gesellschaft haben es introvertierte Kinder nicht immer leicht. Oftmals werden sie als zu still und zu schüchtern empfunden. Viele Eltern sorgen sich, wenn sie ein zurückhaltendes Kind haben. Das liegt vor allem daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die mehrheitlich extrovertiert ist. Introvertierte Kinder müssen sich daher damit arrangieren, sich in einer Welt mit  überwiegend extrovertierten Verhaltensweisen zurechtzufinden. 

Offenen und kontaktfreudigen Kinder wird gesellschaftlich außerdem mehr zu getraut als zurückhaltenden und in sich gekehrten Kindern. Auch setzt sich oftmals die Überzeugung durch, dass Kinder erfolgreicher und glücklicher durch das Leben gehen, die kontaktfreudig, schlagfertig und gesellig sind. Schnell entsteht in diesen Kindern das Gefühl nicht, „normal“ und liebenswert zu sein. Sie entwickelt den Druck, sich anpassen und mehr aus sich herauskommen zu müssen. Wichtig zu verstehen ist, dass introvertierte Kinder in erster Linie nicht unter ihrem nach innen gekehrten Temperament, sondern unter den verständnislosen und zum Teil verletzenden Reaktionen ihres Umfeldes leiden. 

Sind introvertierte Kinder schüchtern?

Viele introvertierten Kinder werden auch als schüchtern wahrgenommen. Doch wer introvertiert ist, muss nicht zwangsläufig schüchtern sein. Schüchterne Kinder zeigen in der Regel ähnliche Verhaltensweisen wie introvertierte Kinder. Über ihr zurückhaltendes und ruhiges Verhalten hinaus sind schüchterne Menschen zusätzlich verunsichert. Sie haben Angst vor sozialen Kontakten. Schüchterne Menschen haben häufig Schwierigkeiten, auf andere zuzugehen und müssen erst einmal „auftauen“. 

Unklar ist, ob es für die Schüchternheit bei einem Menschen eine genetische Veranlagung gibt oder sie sozial erworben wird.

Introvertierte Kinder in KiTa und Schule

Introvertierte stehen in der Regel ungerne im Mittelpunkt und halten sich lieber in der Beobachterrolle im Hintergrund. Introvertierte Kinder tun sich häufig schwerer als extrovertiertere Kinder, soziale Kontakte zu knüpfen und auf andere Kinder zuzugehen. Organisierten oder konkreten Aktivitäten können ihnen dabei helfen, Freundschaften zu schließen. Das kann beispielsweise bei der Ausübung eines Hobbys in einem Verein oder der Bastelnachmittag im kleinen Kreis sein. 

In der Schule werden introvertierte Kinder oftmals an den Stärken der extrovertierten Kinder gemessen. Häufig erhalten sie schlechtere Bewertungen, da sie sich weniger mitteilen. Auch in der KiTa wünschen sich Erzieherinnen und Erzieher ein stärkeres Einbringen der Kinder in die gemeinschaftlichen Aktivitäten. In beiden Institutionen ist eine emphatische Bezugsperson für diese Kinder sehr entlastend, die das Kind so akzeptiert und wertschätzt wie es ist. Für das Selbstwertgefühl des introvertierten Kindes ist es im schulischem Umfeld außerdem wichtig, dass seine Stärken höher als die mündliche Mitarbeit gewichtet werden. Vielmehr empfinde ich das Messen an gleichen Maßstäben trotz verschiedener Persönlichkeitsstrukturen als unfair. 

Warum introvertierte Kinder von ihrer Persönlichkeit profitieren

  • Introvertierte Kinder haben meist eine gute Beobachtungsgabe, sind gute Zuhörer und verfügen über eine hohe Empathiefähigkeit. 
  • Introvertierte Kinder haben ein gutes Feingefühl und begegnen anderen offen. Bei extrovertierteren Kindern sind sie so ein beliebte Spielgefährtinnen und Spielgefährten.
  • Oftmals sind introvertierte Kinder sehr kreativ. Obwohl sie weniger mit anderen agieren, sind sie häufig erfolgreiche „Teamplayer“. Sie können sich gut anpassen und finden kreative Lösungsansätze. In der Teamarbeit können sie Gruppen so auf neue Wege bei Konflikt- und Problenbewältigungen führen. 
  • Introvertierte Kinder mögen zwar einen kleineren Freundeskreis als extrovertierte Kinder haben. Dafür sind sie eher in der Lage, loyale und tiefe Beziehungen einzugehen. Oftmals führen sie intensive und vertrauensvolle Freundschaften. 
  • Typischerweise sind introvertierten Kinder zuverlässig, gründlich und ausdauernd. Sie erledigen ihre schulischen Aufgaben sorgfältig und haben eine gute Konzentrationsfähigkeit.

Wie kann ich mein introvertiertes Kind unterstützen?

  • Schaffe einen vertrauensvollen und ungestörten Rückzugsort, an dem sich dein Kind regenerieren kann. Es muss nicht zwingend das eigene Zimmer sein. Je nach Alter könnt ihr diesen Ort auch gemeinsam suchen und gestalten. 
  • Plane den Tag mit wenigen Terminen. Schaffe Spielraum für Flexibilität sowie genug Regenerationsphasen. Neue und schnell aufeinanderfolgende Reize (Menschen, Geräusche, Gerüchte, Orte) erschöpfen dein Kind und es benötigt wieder Zeit und Ruhe für sich, um aufzutanken.
  • Suche das Gespräch mit KiTa und Schule über die Introversion deines Kindes. Schaffe bei den Bezugspersonen Verständnis für seine Persönlichkeitsstruktur. 
  • Akzeptiere dein Kind in seinen Stärken und seinen Schwächen. Versuche die Stärken zu fördern statt die Schwächen auszugleichen. 
  • Kritisiere dein Kind nicht für seine Persönlichkeit. Dein Kind ist gut so wie es ist.
  • Ermögliche deinem Kind sich an Neues schrittweise heranzuwagen. Habe Verständnis und Geduld mit deinem introvertierten Kind. 
  • Ermutige dein Kind, soziale Kontakte zu knüpfen. Gib ihm Hilfestellung, sodass es leichter fällt. 

Hier kannst du testen, ob du oder dein Kind introvertiert sein. Hier sei noch gesagt, dass es viele Stufen zwischen den beiden Extremen Extroversion und Introversion gibt. 

Bekannte introvertierte Persönlichkeiten:

Bill Gates, Angela Merkel, Barak Obama, Joanne K. Rowling, Mark Zuckerberg

Buchtipps zum Thema:

Introvertiert zu sein ist kein Defizit. Stattdessen ziehen sich introvertierte Kinder auch gerne mal in sich zurück, verarbeiten das Erlebte oder beobachten ihre Umgebung. Introversion kann auch viele tolle Stärken bedeuten. Ist es nicht an der Zeit, hier auch gesellschaftlich umzudenken und diese besondere Persönlichkeit wertzuschätzen statt verändern oder ausgleichen zu wollen? Ich finde, schon! 

Das kleine Mädchen vom Anfang des Beitrages bin übrigens ich. 🙂

Kids are just fantastic.

Quellen meiner Recherche:

  • „Introvertiertes Kind: Bitte nicht verbiegen“, BIG direkt gesund, abgerufen unter: www. ma-gazin.de (11/2021)
  • „Warum sich Eltern um ihr introvertiertes Kind keine Sorgen machen müssen“, Familienleben, abgerufen unter: www.familienleben.ch (11/2021)
  • „Introvertiert“, Duden, abgerufen unter: www.duden.de (11/2021)
  • „Extraversion und Introversion – Lexikon der Psychologie“, Psychomeda, abgerufen unter: www.psychomeda.de (11/2021)
  • „Introvertiert oder extrovertiert – was ist normal?“, Tutorial, abgerufen unter: www.tutoria.de (11/2021)

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