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Lob schadet?! – wie ich anfing, anders mit meinem Kind zu sprechen

Lob schadet?! – wie ich anfing, anders mit meinem Kind zu sprechen

Bei Pinterest stieß ich kürzlich auf einem Blogartikel mit dem Titel „Lob schadet“. Kann doch gar nicht sein!, schoß es mir durch den Kopf. Mit unserem Loben bestätigt wir Kinder in ihrem Tun. Wir spornen sie damit an, weiterzumachen. Stärken sie in ihrem Selbstbewusstsein, indem wir ihnen zeigen, dass sie etwas gut gemacht haben. Oder etwa doch nicht? Meine Neugier war geweckt.

Ich begann den Artikel zu lesen. Laut der Verfasserin kratze Lob am Selbstbewusstsein unserer Kinder, indem es seine Motivation hemme und seine Leistung mindere. Je öfter wir unsere Kinder für etwas loben, desto mehr Lob würden sie auch in Zukunft benötigen. Ihre Aussage unterstrich sie mit Bezug auf die wissenschaftliche Forschung durch Erziehungsexperten, Entwicklungspsychologen und fortschrittliche Pädagogen. Hier und hier kannst du Teil 1 und 2 des Blogartikels von Weltfremd lesen. 

Der Effort- Effekt

Ich recherchierte weiter. Dabei stieß ich auf den so genannten „Effort- Effekt“. Hintergrund ist dabei die Langzeitstudie von der amerikanischen Psychologin Carol Dweck der Stanford- University, bei der sie die Auswirkungen von Lob auf Schülerinnen und Schüler einer fünften Klasse untersuchte. In der Studie pickten sich Dweck und ihr Team jeweils ein Kind heraus und gaben ihm eine Geschicklichkeitsaufgabe. Anschließend teilten sie ihm das Ergebnis seiner Leistung mit und gaben den Kindern dabei unterschiedliches Feedback: So wurde eine Gruppe an Kindern wegen ihrer hohen Intelligenz mit Sätzen wie„Du bist schlau.“ gelobt. Hingegen erhielt die zweite Gruppe ein Lob für ihr Durchhaltevermögen und ihre Leistungsfähigkeit: „Du hast dich angestrengt.“.

Teil 2

Im zweiten Teil des Experiments durften die Probanden zwischen einem schwierigen und einem leichteren Test auswählen. Schon hier zeigte sich der Effekt der unterschiedlichen Feedbacks. Während Gruppe A (Lob der Intelligenz) überwiegend zur leichteren Aufgabe griff, wählte Gruppe B (Lob für Anstrengung) den schwierigen Test. 

„Wenn wir Kinder für ihre Intelligenz loben, lenken wie ihr Verhalten in bestimmte Bahnen“, schreibt Dweck dazu. Loben fördere die Angst vor Fehlern und führe zu einem Vermeidungsverhalten. 

Teil 3

In einer dritten Runde wurde den Fünftklässlern keine Wahl mehr gelassen. Stattdessen bekamen sie alle den schwierigen Test für Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse. Erneut zeigte sich eine unterschiedliche Herangehensweise an die Denksportaufgabe: Während Gruppe B verschiedene Lösungswege testete und trotz Scheitern, Spaß am Test hatte, zweifelten die Kinder der Gruppe A ihre Intelligenz an und gaben schneller als diejenigen von Gruppe B auf. 

Teil 4

Im letzten Teil wurde das Experiment umgekehrt: Nun erhielten alle Kinder eine leichte Testversion. Auch hier überraschte das Ergebnis: Gruppe A  (Lob für Intelligenz) schnitt durchschnittlich um 20 % schlechter als Gruppe B (Lob für Fleiß) ab, die sich im Vergleich zum Anfang des Experiments um 30 % verbessern konnten. (Quelle: Buch „Ich denke, also spinn ich.“ von Jochen Mai und Daniel Rettig)

Lob versus Lob

Nicht nur unsere Kinder, wir alle lieben es, gelobt zu werden. Wir sehnen uns nach Anerkennung und Bestätigung. Indem Lob eine Horde an Glücksgefühlen in uns Menschen auslöst, macht es uns jedoch auch abhängig. 

Ich bin der Meinung, dass Lob passé nichts Schlimmes ist – wenn es von Herzen kommt. Bei meinem Recherchen habe ich nämlich gelernt, dass es verschiedene Arten von Lob gibt: die ehrliche und die manipulative Weise

Dazu zwei Beispiele aus dem Alltag mit meinem Sohn:

Ehrliches Lob: Kürzlich schenkten mein Mann und ich ihm einen Roller zum Geburtstag. Er stellte sich darauf und fuhr einfach los. „Super machst du das!“, lobten wir ihn. Wir waren ehrlich überrascht und stolz auf sein Können, da wir es ihm vorher weder gezeigt noch mit ihm geübt hatten.

Manipulatives Lob: Da er sich den Aufbau seines Tipis wünschte, bat ich meinen Sohn, sein Zimmer aufzuräumen. Als er fertig war, sollte ich es begutachten. „Prima! Gut gemacht“, lobte ich ihn. Als ich über meine Worte später nachdachte, fiel mir auf, dass sie nicht ehrlich waren. Eigentlich wusste ich, dass er sein Zimmer aufräumen wird, da er auf den Aufbau des Tipis spekulierte. Stattdessen wollte ich sein Verhalten verstärken – ihn erziehen – indem ich es bestätigte. Ich manipulierte. 

Lob als Erziehung?

Nicht selten loben wir unser Kind aus der Absicht heraus, sein Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken. („Ich finde es schön, dass du deinen Bagger teilst“ = Teile weiterhin dein Spielzeug mit anderen Kindern.; „Toll, dass du deine Schuhe in die Garderobe gestellt hast“ = Übernimm diese Aufgabe in Zukunft immer.; „Du hast ja alles aufgegessen, prima!“ = Lass` keine Reste über.)

Dem Gegenüber steht natürlich die Freude über einen tollen Entwicklungsschritt oder außergewöhnliche Leistungen, die wirklich von Herzen kommt. Lob ist immer dann gut, wenn es  ehrlich und authentisch ist und keinerlei (erzieherische) Hintergedanken hat. 

Ich für meinen Teil habe mir fest vorgenommen, auf Situationen in Zukunft anders zu reagieren, Statt mit Bewertungen wie „gut gemacht“, „toll“, „prima“, „super“ möchte ich öfters mit Beobachtungen reagieren: „Ich sehe, dass du deinen Bagger teilst.; „Du hast deine Schuhe in die Garderobe gestellt.“; „Du scheinst heute einen Bärenhunger gehabt zu haben.“. 

Statt mein Kind an Bewertungen zu gewöhnen und es von ihnen abhängig zu machen, möchte ich es in seiner Person wahrnehmen. Vielmehr soll es die Chance bekommen, sich selbst einzuschätzen, indem es die eigenen Leistungen selbst (und selbstkritisch) bewertet anstatt sich von dem Lob anderer – hier meinem Lob – abhängig zu machen. 

Wie sind deine Erfahrungen zu dem Thema? Bist du auch bereit, umzudenken oder hast du es bereits? 

Kids are just fantastic!

Dieser Blogbeitrag ist auch unter www.colognecreative erschienen.

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